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Robert Gülzow, Lehrer an der Schule am Bodden in Neuenkirchen, spricht im Interview des Uni-Magazins "Campus 1456" über Referendariat und Schule im ländlichen Raum sowie über sein Lehramtsstudium an der Universität Greifswald.
Im Gespräch mit Robert Gülzow, Alumnus der Universitat Greifswald sowie Lehrer an der Schule am Bodden in Neuenkirchen.
Jan Meßerschmidt: Warum sind Sie eigentlich Lehrer geworden?
Robert Gülzow: Nach der Schule, mit fast Zwanzig wusste ich erst nicht so richtig, was ich tatsachlich werden mochte. Was ich aber wusste war, dass ich in Greifswald bleiben wollte, wo ich aufgewachsen bin. Ich konnte mir vorstellen, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Wie so ein Berufsleben später aussehen konnte, davon hatte ich keine Vorstellung. Ich hatte damals, 2005 nach dem Zivildienst, gern Bio auf Lehramt und Informatik studiert. Das gab es nicht und dann wurde es die Kombination Englisch und Geschichte, weil mir das auch lag.
Sie waren zunachst Lehrer in Reinberg, zwischen Greifswald und Stralsund gelegen. Nun sind Sie in Neuenkirchen. War das Zufall?
Nein, ich wollte gern in der Nähe von Greifswald bleiben. Neuenkirchen ist so nah an der Stadt, dass ich jeden Tag mit dem Rad fahren kann. Reinberg war auch nur zwanzig Minuten mit dem Auto entfernt. Was ich an Greifswald schätze: Ich komme in kurzer Zeit überall hin, vom Strand bis Kultur- und Sporteinrichtungen oder in die Natur vor der Stadt. Ich habe zwei Kinder und kann mit ihnen alles erreichen, ohne in Bus und Bahn steigen zu müssen. Das gefällt mir.
Der Berufseinstieg nach einem Studium ist für jeden eine große Veränderung im Leben. Wie haben Sie persönlich diesen Übergang vom Studium zum Berufsleben als Lehrer erlebt?
Ich hatte ja bereits ein Referendariat in Wittenburg und Ahlbeck absolviert, und das Referendariat ist schon ein Stückweit eine Mischung aus beidem. Allerdings ist man da zeitlich noch ein wenig flexibler als jetzt, als Lehrer. Nun habe ich meinen Stundenplan, meinen täglichen Fahrplan mit Stunden hier in der Schule. Meist bleibt auch nur der Vortag, um etwas vor- oder nachzubereiten. Das ist im Referendariat noch ein bisschen freier. Es gibt Seminartage, an denen man sich tatsachlich auf den Unterricht richtig vorbereiten kann. Man trifft sich noch einmal mit seinen Mentoren und kann alles absprechen, bevor man die Stunde tatsachlich halt. Das ist schon ein bisschen eine Übergangsphase, noch nicht so ganz Beruf.
Wie gut fühlten Sie sich nach Studium und Referendariat fachlich vorbereitet?
Fachlich muss ich da differenzieren. Studiert habe ich Englisch und Geschichte. Im Referendariat habe ich Geschichte noch unterrichtet, danach nicht mehr; es gibt zu wenig Geschichtsstunden und noch zu viele Geschichtslehrer. Ich fühlte mich jedoch in beiden Fächern fachlich hervorragend vorbereitet. Im Bereich Pädagogik war dies nicht ganz so, wobei ich mir die Frage stelle, ob man tatsachlich alle Aspekte der Pädagogik im Studium abdecken kann. Ein Beispiel; Inklusion ist gerade ein großes Thema. Wir bekommen hier Kinder mit ADHS, mit ESE, mit emotionalen Störungen, da habe ich im Studium nichts von gehört. Auch Elterngespräche oder die Organisation von Wanderfahrten, darauf wurde man nicht vorbereitet. Das erschlägt einen, wenn man nach dem Referendariat in der Schulpraxis ankommt.
Sie fühlten sich also ins kalte Wasser geworfen?
Jein. Ich bin eigentlich als Lehrer für Gymnasien ausgebildet und bin hier an einer Regionalen Schule eingesetzt. Die Kollegen, die richtig Lehramt für Regionale Schule studiert haben, sind natürlich deutlich besser durch das Studium auf die Herausforderungen vorbereitet, die ich gerade geschildert habe und sind im Referendariat schon damit konfrontiert worden. Sie konnten mit Mentoren auch darüber sprechen, wie sie mit einzelnen Schülern umgehen sollen. Am Gymnasim geht es eher darum: Mach die perfekte Stunde. Ich bin jedoch sehr gern im Unterricht. Es macht mir Spaß, vor den Schülern zu stehen und ihnen etwas beizubringen.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit Regionalschulen in ländlichen Regionen? Ist es anders als in der Stadt?
Mit Sicherheit weniger anonym. In Reinberg kannte beispielsweise jeder jeden. Abgesehen von mir, denn ich war neu. Aber die Sekretärin kannte alle, was ich eher als positiv empfand. Schulleiterin oder Schulleiter werden im ländlichen Raum anders wahrgenommen. Schule auf dem Land ist eben nicht anonym. Treffen auf Dorffesten können mitunter so ablaufen: „Sag mal, was ist denn mit deinem Bengel los?“ Dann hat es schon eine andere Wirkung als in der Stadt. Im ländlichen Raum ist es familiärer. Es gibt einfach mehr menschliche Beziehungen, und Menschen wollen Beziehungen nicht kaputtmachen. Und beim Wechsel an die Schule in Neuenkirchen wurde ich auch ganz hervorragend aufgenommen. Ich wurde hier mit Hilfeleistungen überschüttet, was ich an anderen Schulen ganz anders erlebt habe.
Wie ist Ihr Resumee zum Studium in Greifswald?
Ich kenne nur das Studium im „ländlichen Raum“, in der Stadt Greifswald, und kann das sehr empfehlen. Ich kenne kaum jemanden, der gesagt hat, in Greifswald wäre es langweilig gewesen oder es hatte ihm hier nicht gefallen. Es heißt ja immer, man kommt mit einem weinenden Auge und geht mit einem weinenden Auge. Die Wenigsten können allerdings in Greifswald bleiben. Die Leute, die ich kenne, die waren schon traurig. Sicherlich freuen sich auch einige, wenn sie in ihre Großstadt zurückkehren.
Was mir allerdings fehlte waren Praxiserfahrungen gleich zu Beginn des Studiums. Es gibt zwar Praktikumsabschnitte während des Studiums, das ist aus meiner Sicht jedoch zu wenig. Wer am Ende des Hauptpraktikums merkt, vielleicht bin ich kein Lehrer, dann ist es leider schon zu spät. Ich würde empfehlen, Praktika nach vorn zu ziehen. Also, gleich rein in die Schule mit dem ersten Studientag!
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview erschien im Magazin der Universität Greifswald Campus *1456, Ausgabe 10/Oktober 2018 auf S. 42/43.
Foto und Interview: Jan Meßerschmidt