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Dr. Johannes Löhner-Böttcher hat sich die Sonne sehr genau angesehen. Der Franke blickte auf Teneriffa durch Teleskope, promovierte in Freiburg über das Thema „Sonnenflecken“ und erkannte in Boulder/Colorado, dass ihn die Wissenschaft allein nicht erfüllt: Er wollte sein Wissen weitergeben und genau das tut der 35-Jährige seit Sommer 2021 als Mathematik- und Physiklehrer am Hansa-Gymnasium in Stralsund.
Lehrer aus den MINT-Fächern sind – nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern – besonders begehrt. Als Johannes Löhner-Böttcher 2019 während eines Forschungsprojekts in den USA realisierte, wie wichtig ihm der Austausch mit Schülern oder Studenten ist, boten sich dem Wissenschaftler daher viele Optionen. „Als mir klar wurde, dass ich an einem Gymnasium unterrichten möchte, stellte sich meiner Frau und mir eigentlich nur noch eine Frage: Wo in Deutschland sehen wir unsere Zukunft?“ Die beruflichen Perspektiven für Lehrkräfte sowie die Anziehungskraft der Ostsee machten dem Naturliebhaber die Entscheidung leicht.
Während der Blick Löhner-Böttchers aus dem Lehrerzimmer des Hansa-Gymnasiums hinaus auf den Strelasund wandert, sagt er: „Ich liebe Wasser und Wälder und ab und zu brauche ich auch Berge. An dieser Stelle funktionieren die Steilküsten von Rügen erstaunlich gut“. Er lacht. Und dann erklärt der Mann, der den Schulbetrieb nur im Corona-Kontext kennt, wie sich sein Leben gefügt hat. Die wichtigsten Stationen in chronologischer Ordnung: Pommelsbrunn, Erlangen, Freiburg, Colorado, Rostock und letztlich Stralsund.
Pommelsbrunn? Na klar – dort wuchs er auf, dort stand er im Fußball-Tor, spielte Tischtennis und Klavier. Am Paul-Pfinzing-Gymnasium im benachbarten Hersbruck machte er 2005 sein Abitur. Zahlen und Tabellen waren seine Welt. Er träumte davon, Pilot zu werden, dachte auch an Medizin und entschied sich am Ende doch für das gymnasiale Lehramt in Mathe und Physik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Im 5. Semester dann ein folgenreicher Umzug nach Freiburg. Löhner-Böttcher: „Meine Frau und ich wollten dort studieren und für mich ergaben sich am Leibniz-Institut für Sonnenphysik ungeahnte Möglichkeiten.“ Ein engagierter Professor empfahl ihm, im Anschluss an das Staatsexamen bei ihm zu promovieren.
Dunkle Stellen auf der Sonne, die sogenannten „Sonnenflecken“, rückten zwischen 2012 und 2018 in den Fokus. Regelmäßig flog Löhner-Böttcher nach Teneriffa, um mit Europas größtem Sonnenteleskop zu experimentieren und aufschlussreiche Daten zu gewinnen. „Der Gedanke, Lehrer zu werden, ließ mich aber nie los“, betont Löhner-Böttcher. „Mein Plan war: Reichlich Erfahrung in der Forschung zu sammeln, um Schülerinnen und Schüler anschließend authentisch für das Fach Physik begeistern zu können.“ Doch bevor es soweit war, lockte eine Postdoc-Stelle in Boulder/Colorado. Anfang 2019 hob er mit seiner Frau sowie den Katzen Luna und Emil Richtung Rocky Mountains ab.
Am dortigen „High Altitude Observatory“ arbeitete er eng mit einem Forscherteam der NASA zusammen. Seine Beobachtungen mit dem sogenannten Laser-Frequenzkamm waren zwar hoch interessant, aber Löhner-Böttcher kam auch zu einer wichtigen irdischen Erkenntnis: „Ich will mein Wissen weitergeben.“ Obwohl ihm der Abschied von der Forschung nicht leichtfiel, buchte er für den Januar 2020 den Rückflug nach Deutschland. „Rügen, den Darß, Schwerin und Wismar – diese schöne Gegend kannten wir schon aus Urlauben“, erzählt Löhner-Böttcher über die Zukunftspläne in MV.
Und tatsächlich: Bis Juli 2021 absolvierte er am städtischen Gymnasium Reutershagen in Rostock sein Referendariat. „Ich fand es gut, dass viele Stellen in Mecklenburg-Vorpommern schulscharf ausgeschrieben sind“, betont der ambitionierte Lehrer. Eingesetzt wurde er häufig in den Klassen der Hochbegabten. Mit seiner Frau, die zeitgleich eine Stelle in Hamburg fand, wohnte er zunächst in der Landeshauptstadt Schwerin.
Und wieso lebt und lehrt er mittlerweile in Stralsund? „Der hiesige Schulleiter Thomas Janke hat sich sehr um mich bemüht, Familie hatte ich bereits vor Ort, Stralsund hat mir schon immer gut gefallen und das Konzept des Hansa-Gymnasiums hat mich überzeugt.“ Bedingt durch die auf 40 Minuten verkürzten Schulstunden haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, in Wahlpflichtkursen und Lern-AGs ihren persönlichen Neigungen zu folgen bzw. ihren Horizont zu erweitern. So bot Löhner-Böttcher für Klasse 9 und 10 das Thema „Sonnenphysik“ an. Er strahlt: „Der Kurs stieß auf sehr positive Resonanz. Leider konnte ich nicht alle Interessierten aufnehmen.“ Sonnenphysik erklärt von einem Experten? Offenbar war das ein Angebot mit großer Strahlkraft!
Noch eine weitere Kleinigkeit spielt übrigens in Löhner-Böttchers hohe Zufriedenheit hinein: Der verwinkelte, unter Denkmalschutz stehende Backsteinbau am Rande der Weltkulturerbe-Altstadt bedient seine Fantasie: „Ich bin Harry Potter-Fan und unsere 1913 eröffnete Schule erinnert mich ein wenig an Hogwarts, die Schule für Hexerei und Zauberei.“ Da sage noch einer, dass für Mathe- und Physiklehrer nur Zahlen und Fakten zählen…